Oben immer anders - vom Korsett zum Wonderbra

Flach gedrückt, hoch geschoben, unterpolstert, frei schwebend, rund oder spitz - der Busen wird von der Mode immer wieder unterschiedlich in Form gebracht. Der Streifzug durch die Geschichte zeigt: So vielseitig, bequem und schön anzusehen wie heute war die weibliche Unterwäsche selten.


In der Antike trugen die Frauen eine Brustbinde, die so genannte “Fascia pectoralis". Die Griechinnen wickelten die lange Binde als Stütze um Brust und Rücken. Anders in Rom: Weil das Schönheitsideal einen kleinen Busen verlangte, schnürten die Frauen und Mädchen den Stoff wesentlich enger um die Brüste, um ihre Silhouette zu verflachen und im Glauben, damit deren Wachstum stoppen zu können.


In der mittelalterlichen Garderobe fehlte ein spezielles Kleidungsstück für den Busen. Etwa ab dem 13. Jahrhundert gab es Mieder aus gestärktem Stoff, die an der Vorderseite geschnürt werden konnten. Adelige Renaissancedamen im 16. Jahrhundert verbargen ihren Oberkörper unter einem rüstungsähnlichen Korsett. Stoff- oder Ledermieder mit eingenähten Holzstücken drückten die Brüste an den Körper, so dass der Oberkörper eine gerade Front bildete. Die weiblichen Formen sollten nicht betont werden, weshalb diese Korsetts auch nicht die Taille einschnürten.


Im 18. Jahrhundert wurde es eng: Das Korsett nahm Frauen den Atem. Denn Fischbein und Schnüre und später Metallhäkchen sowie Spiralfedern formten den Körper der Frau - je nach dem Geschmack der Zeit. Im Biedermeier war die Wespentaille von gerade mal 40 Zentimetern Durchmesser das Ideal.


Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde die S-Linie populär. Das Korsett drückte den Oberkörper nach vorne, schnürte den Bauch weg und betonte den Po.


Kritische Stimmen gegen die Einschnürung des Frauenkörpers hat es gerade von ärztlicher Seite immer gegeben. 1896 formierte sich sogar "Der Allgemeine Verein zur Vereinfachung der Damenkleidung". Doch damit das Korsett endgültig seinen Rückzug aus der weiblichen Wäsche antreten konnte, musste erst eine Alternative her.


Diese erfand die Amerikanerin Mary Jacobsen, die aus zwei Taschentüchern und Bändern eine Brustbedeckung kreierte. 1912 meldete sie das Wäschestück zum Patent an. Im selben Jahr kaufte ihr die Warner Brothers Corset Company das Patent ab. Von diesem Zeitpunkt an wurden BHs in Serie hergestellt. In den frühen dreißiger Jahren konnten Frauen BHs in verschiedenen Größen und mit verstellbaren Trägern erwerben. Die damals eingeführten Körbchengrößen haben ihre Gültigkeit bis heute bewahrt.


Ähnlich, jedoch nicht so extrem wie das Korsett, modellierte der BH die weiblichen Rundungen nach dem Schönheitsideal des jeweiligen Zeitgeschmacks. In den 20erjahren waren knabenhafte Formen angesagt. Nicht der Busen, den der BH flach drückte, sondern Arme und Beine galten jetzt als besonders erotische Körperteile. Anfang der 30er Jahre durfte die Frau wieder Oberweite zeigen. Der Gedanke, dass nicht nur die Brust, sondern der gesamte Oberkörper der Frau gestützt werden musste, war übrigens noch weit verbreitet. Unterhalb des BHs trugen die Frauen elastische Korseletts oder zumindest einen Hüfthalter.


In den 50er Jahren waren nicht mehr runde, sondern spitze Brüste gefragt, die zudem möglichst weit auseinander stehen sollten. Während Schaumstoffeinlagen bei der gewünschten Oberweite nachhalfen, verschlankten Mieder oder Korseletts die Taille. Studenten-Revolte und Flower Power bescherten dem BH einen weltweiten Konjunktureinbruch. Feministinnen verbrannten sogar ihre BHs, die sie als Symbol für die Unterdrückung der Frau ansahen. Die Emanzipation und die Entdeckung leichter Synthetik-Stoffe brachten die Wäschehersteller dazu, Büstenhalter neuen Typs zu konstruieren: ohne Drähte, Versteifungen und Einlagen. "One Sized BHs" waren bequem zu tragen und erfüllten dennoch ihre stützende Funktion.


In den 80erJahren machte Popstar Madonna die Korsage wieder populär. Modemutige ließen die Bluse über der Korsage einfach weg - und trugen das verführerische Wäschestück als Teil der regulären Garderobe. Anfang der 90er Jahre verlieh der Wonderbra selbst dem kleinsten Busen atemberaubendes Volumen.


Heutzutage ist die Dessous-Mode vielseitig: Sportliche so genannte"seamless" BHs ohne Nähte in modischen Farben sind ebenso gefragt wie verführerische Bügel-BHs. Auch die sanfte Variante des Korsetts hat ihren Platz in der weiblichen Wäsche zurückerobert. Besonders zur Abendgarderobe zaubern Korsagen ein üppiges Dekolleté.


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